MAKROÖKONOMIK  ²  МАКРОЭКОНОМИКА

 

 

Der gesamtwirtschaftliche

Arbeitsmarkt

 

(Общеэкономический рынок труда)

 

 

Wilfried Fuhrmann

Ajdyn Sultanow

 

 

 

 

 


Adresse der Autoren:

Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann

Dr. A. Sultanow

Universität Potsdam

August-Bebel-Str. 89

D-14482 Potsdam

 

Tel:     ++49- (0)331- 977- 3219

Fax:    ++49- (0)331- 977- 3223

http://www.makrooekonomie.de

Email: fuhrmann@rz.uni-potsdam.de

© W. Fuhrmann; ISSN 1433-920X


 

 

Zur Zitation:         W. Fuhrmann, A. Sultanow (2002), Der gesamtwirtschaftliche Arbeitsmarkt; in:

www.nowgorod.de, Stand : 2002-02-03

Inhalt

 

 

1.         Zur Arbeitsmarktkonstellation                                                  2

 

2.         Die Produktionsfunktion                                                             3

 

2.1.      Zur substitutionalen  Produktionsfunktion                                3

 

2.1.1.   Zur Cobb-Douglas-Produktionsfunktion                                     5

 

2.2.     Zur limitationalen  Produktionsfunktion     

           (Leontief-Produktionsfunktion)                                                   7

 

3.       Der Arbeitsmarkt bei Mengenanpasserverhalten                        8

 

3.1.    Die Arbeitsnachfrage                                                                    8

 

3.2.   Das Arbeitsangebot                                                                       11

 

3.3.   Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt                            16

 

 

 

1. Zur Arbeitsmarktkonstellation

 

 

 

Aus makroökonomischer Sicht agieren auf dem Arbeitsmarkt einerseits Unternehmen als Güteranbieter und Arbeitskraftnachfrager, anderseits Haushalte als Güternachfrager und Arbeitskraftanbieter.

 

 

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird hier durch Annahmen aus dem Gütermarkt über die stets vollständige Anpassung des Angebots an die Nachfrage bei gegebenen Preisen, also einen konstanten Zinssatz, Güterpreis und Lohnsatz sowie bei einem konstanten Kapitalstock (außer bei der Analyse des Akzeleratorprinzips und seinen Auswirkungen) und einem konstanten Vermögen, bestimmt. Es bedeutet die Möglichkeit, die für zusätzliche Produktion notwendigen Arbeitskräfte auf dem Arbetsmark finden und  im Produktionsprozeß einzusetzen zu können.

 

 

Eine solche Situation charakterisiert ein kurzfristiges Gleichgewicht mit konjunktureller unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, bei dem die Produzenten zum herrschenden Güterpreis jede gewünschte Gütermenge und die Arbeitnehmer zum exogen gegebenen Nominallohnsatz jede nachgefragte Arbeitsmenge anzubieten bereit sind.

 

 

Im folgenden wird während der Analyse des Zusammenhangs zwischen Arbeitsmarkt und Güterangebot unterstellt, daß der Produktionsfaktor Arbeit vollkommen homogen ist und eine gegebene (gesamtwirtschaftliche) Produktionsfunktion existiert. Die Annahme der Homogenität des Produktionsfaktors Arbeit bedeutet, daß die Arbeit zu einem einheitlichen

Aggregat Arbeit zusammengefaßt werden kann.

 

 

 

2. Die Produktionsfunktion

 

 

Eine Produktionsfunktion gibt die bei gegebenem technischen und organisatorischen

Wissen bestehende funktionale Beziehung zwischen dem Volumen der effizient eingesetzten

Produktionsfaktoren ( hier Arbeit und Sachkapital)  und dem damit erreichbaren Output wider.

 

 

Man unterscheidet zwischen substitutionalen und limitationalen Produktionsfunktionen (s. „Das

gesamtwirtschaftliche Multiplikatormodell“, W. Fuhrmann, A. Sultanow, in: www.nowgorod.de).

 

 

Bei substitutionalen  Produktionsfunktionen  kann die Produktion bei gegebener, im

Produktionsprozeß eingesetzter Menge eines Faktors erhöht werden, wenn die eingesetzte Menge

des anderen Faktors zunimmt bzw. es kann die gleiche Menge an Gütern mit unterschiedlichen

Faktoreinsatzkombinationen produziert werden.

 

 

Bei limitationalen Produktionsfunktionen existiert dagegen für jeden Output nur ein

effizientes Faktoreinsatzverhältnis bzw. nur eine Technologie.

 

 

2.1. Zur substitutionalen  Produktionsfunktion

 

Eine substitutionale Produktionsfunktion läßt sich grundsätzlich in der folgenden Form schreiben:

                                                                                     

 

 

 

 

 

mit:                             

K        Anzahl der im Produktionsprozeß eingesetzten Sachkapitaleinheiten,

N        Anzahl der im Produktionsprozeß eingesetzten Arbeitsstunden oder

           Humankapitaleinheiten.

 

Aufgrund der unterstellten Substitutionalität der Produktionsfaktoren gilt für diese

funktionale Beziehung:

 

Es  führt der erhöhte Einsatz eines Produktionsfaktors c. p. zu einem erhöhten Output: Die erste Ableitung des Güterangebotes nach diesem Faktor ist positiv. Die Grenzproduktivität dieses Faktors sinkt allerdings mit steigender Einsatzmenge. Entsprechend ist die zweite Ableitung negativ.

 

Der Stand des organisatorischen und technischen Wissens spiegelt sich in der jeweiligen Form der Verknüpfung wider. Dieses Wissen wird hier als konstant unterstellt, d. h. es gibt annahmegemäß keinen technischen Fortschritt.

Für eine substitutionale Produktionsfunktion ergibt sich die folgende graphische Darstellung des Zusammenhanges zwischen Arbeitsmenge und Output bei gegebener Menge des Faktors Sachkapital:

 

 

 

 


                      y

                                                                       K1

                               

                                                                                      K1 > K0

 


                                                                       K0

                                                          

 

 

 

                  

                     

                           0                                                                             N

                          Die Beziehung zwischen Produktion und Arbeitseinsatz.

 

Jede Erhöhung des Sachkapitalbestandes bedeutet eine Verschiebung dieser Kurve nach oben und bedeutet gleichzeitig bei gegebener Beschäftigung eine Zunahme der Grenzproduktivität der Arbeit, d.h. einen höheren Wert der ersten Ableitung des Outputs nach dem Produktionsfaktor Arbeit: Die Kurve OK1 in der Abbildung weist bei jeder Beschäftigung eine größere Steigung als die Kurve OK0 auf.

 

 

Weiterhin steigt mit dem Kapitalstock die durchschnittliche Arbeitsproduktivität, die als der Quotient von Output und Arbeitseinsatz definiert ist. Entsprechend sinkt der Arbeitskoeffizient, der die im Durchschnitt eingesetzte Arbeitsmenge pro Outputeinheit mißt und damit gleich dem reziproken Wert der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität ist.

 

 

Im Rahmen der kurzfristigen Analyse wird unterstellt, daß der Sachkapitalbe-

stand exogen ist, so daß weder der technische Fortschritt noch der Kapazitätseffekt der Investition im Modell und damit in der Erklärung berücksichtigt werden.

 

 

2.1.1. Zur Cobb-Douglas-Produktionsfunktion

 

 

Zur Verdeutlichung der produktionstheoretischen Zusammenhänge wird  kurz die

Cobb-Douglas-Produktionsfunktion dargestellt. Diese Funktion lautet in ihrer allgemeinen Form:  

 

 

mit:

        (partielle) Produktionselastizität des Faktors Arbeit,

        (partielle) Produktionselastizität des Faktors Kapital,

          Rate des technischen Fortschrittes pro Zeiteinheit.

 

 

Existiert annahmegemäß kein technischer Fortschritt, so gilt:

 

 

 

 

 

Der Exponent () gibt die partielle Produktionselastizität des Faktors Arbeit (Kapital), d.h. die relative Veränderung des Outputs in Abhängigkeit von der sie bedingenden relativen Veränderung der Einsatzmenge der Arbeit (des Kapitals) an.

 

 

Ist die Summe der beiden Exponenten gerade gleich eins, so ist das Niveaugrenzprodukt konstant, d.h. eine prozentuale Veränderung der Einsatzmenge beider Faktoren (z.B. um das) führt zu einer gleich großen prozentualen Veränderung von y:         

 

bzw.:

             

 

 

 

Die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion ist also für den Fall, daß die Summe der partiellen Produktionselastizitäten gleich eins ist, linear homogen. Bei einer unterstellten Entlohnung der Faktoren nach ihren Grenzproduktivitäten (vgl. die produktivitätsorientierte Lohnpolitik) kennzeichnen die Elastizitäten zugleich die Einkommensverteilungen in der Volkswirtschaft: Die

Lohnquote beträgt , die Gewinnquote l - .

 

 

 

 

 

 

2.2. Zur limitationalen  Produktionsfunktion (Leontief-Produktionsfunktion)

 

 

 

Eine limitationale Produktionsfunktion ist dadurch gekennzeichnet, daß es für

jede Produktionsmenge nur ein Verhältnis der Produktionsfaktoren gibt, mit dem

dieser Output effizient erzeugt werden kann. Dieses Einsatzverhältnis muß zwar bei variierender Outputmenge nicht konstant sein, zur Vereinfachung wird jedoch häufig diese zusätzliche Annahme getroffen und man erhält eine linear-limitationale Produktionsfunktion. Die allgemeine Formulierung einer solchen linear-limitationalen Produktionsfunktion (Leontief-Produktionsfunktion) lautet:

 

 

mit:

а1           (konstanter) Arbeitskoeffizient,

a2           (konstanter) Kapitalkoeffizient.             

 

 

Bei gegebener Menge der Produktionsfaktoren ist der Output somit gleich dem Wert des kleineren der in der Klammer enthaltenen Inputkoeffizienten. Der dazugehörige Produktionsfaktor ist der „Engpaßfaktor", der andere Faktor existiert im „Überfluß".

Die Einsatzmengen der Produktionsfaktoren bestimmen sich aus den Faktorkoeffi-

zienten und der geplanten Produktion.

 

 

 

 

 

3. Der Arbeitsmarkt bei Mengenanpasserverhalten

3.1. Die Arbeitsnachfrage

 

 

Um die gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion nach Arbeit aus dem einzelwirtschaftlichen Kalkül einzelner Unternehmungen abzuleiten, wird zur Vermeidung von Aggregationsproblemen wieder ein sog. repräsentatives Unternehmen unterstellt. Für alle homogenen Unternehmungen gilt somit die gleiche Produktionsfunktion, alle Unternehmungen führen das gleiche Optimierungskalkül durch.

Der erwartete Gewinn ergibt sich definitionsgemäß aus der erwarteten Differenz zwischen dem Umsatz und den Kosten (im Gleichgewicht der vollkommenen Konkurrenz gilt G = 0):    

 

 

mit:

G         erwarteter (Nominal-) Gewinn,          

p          Güterpreis,                                       

       geplante Produktion (= Güterangebot),     

W         Nominallohnsatz pro Arbeitseinheit,                          

NN       geplante nachgefragte Arbeitsmenge,

i           Zinssatz,                                  

pK        Preis einer Sachkapitaleinheit,         

K         Anzahl der im Produktionsprozeß eingesetzten Sachkapitaleinheiten,

ipK       Kapitalkosten pro Kapitaleinheit bei Vernachlässigung von Abschreibungen

 

 

 

Unterstellt man, daß die Unternehmung die tatsächlichen Preise (p, pK ,W, i) kennt bzw. korrekt erwartet und sich als Mengenanpasser verhält, so ergibt sich bei gegebenem Kapitalstock die gewinnmaximale Nachfrage nach Arbeit aus der nach dem Faktor Arbeit differenzierten Gewinngleichung:

 

 

 

 

 

 

Damit gilt für das Gewinnmaximum:

 

 

 

 

mit:

w  (erwarteter) Produzentenreallohnsatz.

 

 

Der Quotient aus dem Nominallohnsatz und dem Güterpreis stellt den Produzentenreallohnsatz w dar. Der Lohnsatz ist nicht in Geld-, sondern in Gütereinheiten ausgedrückt. Die Bedingung besagt somit, daß die Unternehmung solange Arbeitskräfte nachfragen wird, bis die (mit zunehmender Beschäftigung sinkende) Grenzproduktivität der Arbeit dem Reallohnsatz entspricht.

 

 

Steigt der Reallohnsatz infolge eines steigenden Nominallohnsatzes oder eines reduzierten Güterpreises, so wird der für die letzte bisher eingesetzte Arbeitseinheit zu zahlende Reallohnsatz größer als das Grenzprodukt dieser Einheit. Entsprechend wird die Unternehmung den Arbeitseinsatz und damit auch die Produktion bzw. das Güterangebot soweit reduzieren, bis die bei geringerem Arbeitseinsatz höhere Grenzproduktivität das Niveau des Reallohnsatzes erreicht hat. Die Nachfrage nach Arbeit sinkt somit bei gegebener Produktionsfunktion mit steigendem Reallohnsatz.

 

 

 

 

 

Aufgrund der Annahme repräsentativer bzw. homogener Unternehmungen gilt nicht nur

für jede einzelne Unternehmung, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft, daß die Arbeitsnachfrage mit steigendem Reallohnsatz sinkt:

 

 

              

 

Zur Verdeutlichung soll dieser Zusammenhang für ein  Mengenanpasserverhalten an der oben beschriebenen Produktionsfunktion vom Cobb-Douglas-Typ dargestellt werden. Aus der ersten Ableitung der Gewinndefinition

 

 

 

nach dem Faktor Arbeit unter Beachtung der Nebenbedingung in Form der Produktionsfunktion

 

 

 

folgt unmittelbar:

 

 

 

Setzt man diese erste Ableitung gleich Null und löst sie nach der Arbeitsnachfrage

auf, so erhält man als Nachfragefunktion nach Arbeit:

 

 

Das Beispiel verdeutlicht, daß die nachgefragte Arbeitsmenge bei gegebenem Kapitalstock und technischem Wissen mit steigendem Reallohnsatz sinkt. Ein steigender Kapitalbestand führt bei gegebenem Reallohnsatz zu einer erhöhten geplanten Produktion (Mengenanpasser!) und zu einer Zunahme der Arbeitsnachfrage, da ein steigender Kapitaleinsatz die Grenzproduktivität der Arbeit erhöht. Bei gegebener Produktionsmenge führt dagegen ein steigender Kapitalstock zu einer sinkenden Arbeitsnachfrage, wobei allerdings zusätzliche Mechanismen aufgezeigt werden müssen, die die Unternehmung trotz Erfüllung ihres Gewinnmaximierungskalküls zu einer solchen Handlungsweise veranlassen sollten (z. B. sinkende Finanzierungskosten).

 

 

3.2. Das Arbeitsangebot

 

 

Die Ableitung der Angebotsfunktion auf dem Arbeitsmarkt erfolgt in Anlehnung

an ein sehr stark vereinfachtes Optimierungskalkül der einzelnen Wirtschaftssubjekte. Jedes Wirtschaftssubjekt hat eine Nutzenfunktion, in die als Argumente die Freizeit (F) und die verfügbaren Konsumgüter (c) eingehen (vereinfachend wird eine Sparquote von Null unterstellt,

 

anderenfalls sind c und  das reale Vermögen v sowie F oder N Argumente der Nutzenfunktion):

 

 

Die Verfügungsgewalt über Konsumgüter erhält das Wirtschaftssubjekt durch das über den Arbeitseinsatz erzielte Einkommen. Dabei wird hier zur Vereinfachung außerdem unterstellt, daß dieses Wirtschaftssubjekt kein Vermögen in Form von Aktien, Geld oder Wertpapieren besitzt (dann gilt: ).

 

 

Bei der Maximierung seines Nutzens hat das Wirtschaftssubjekt die Zeitrestriktion zu beachten, also die Tatsache, daß es für eine bestimmte Planungsperiode wie beispielsweise einen Tag, nur über eine bestimmte Anzahl von Zeiteinheiten (wie beispielsweise 16 Stunden, bei 8 Stunden Schlaf) verfügen kann. Mit einer steigenden Anzahl von Arbeitsstunden (N) verringert sich also die Freizeit (F):

 

F=16 - N.        

 

Das Wirtschaftssubjekt hat somit sein Optimum so zu bestimmen, daß das Grenzleid der Arbeit in Form von Verzicht auf Freizeit  gerade gleich dem Grenznutzen der Arbeit  in Form von verfügbaren Konsumgütern ist.

 

 

Je höher also der erwartete Konsumentenreallohnsatz ist, um so höher ist der Grenzertrag einer Arbeitsstunde und um so höher ist damit die angebotene Arbeitsmenge. Dies ist der so genannte Normalfall.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Zunahme des Arbetsangebotes ist bei einer Erhöhung des erwarteten Reallohnsatzes um so niedriger, je geringer die Freizeit des Wirtschaftssubjektes bereits ist, da der Grenznutzen mit sinkender Freizeit überproportional steigt. Entsprechendes gilt für den Grenznutzen der verfügbaren Güter. Die ersten (zweiten) Ableitungen der Nutzenfunktion sind positiv (negativ).

 

Auch bei diesem Verlauf der Nutzenfunktion ist es nun allerdings in extremen Situationen durchaus denkbar, daß mit steigendem erwarteten Reallohnsatz das Arbeitsangebot nicht steigt, sondern fällt: Die Einkommensveränderung setzt sich ja aus der Veränderung des erwarteten Reallohnsatzes und der Änderung der Beschäftigung zusammen. Bei steigendem erwarteten Reallohnsatz führt also selbst eine (unterproportionale) Reduktion des Beschäftigungsvolumens noch zu steigen den Einkommen. Ist der Reallohnsatz relativ hoch, damit der Grenznutzen des zusätzlichen Einkommens relativ gering, dann kann eine Reduktion der Arbeitszeit bei steigendem Reallohnsatz sowohl Einkommen als auch Freizeit erhöhen. Der damit gewonnene Nutzenzuwachs kann größer sein als der Nutzenzuwachs bei erhöhter Arbeitszeit und reduzierter Freizeit. In diesem Falle hätte die Arbeitsangebotsfunktion in Abhängigkeit vom erwarteten Reallohnsatz eine negative Steigung.

 

In der folgenden Analyse wird jedoch nur der „Normalfall" eines mit steigendem erwarteten Reallohnsatz steigenden Arbeitsangebotes und allenfalls noch der Grenzfall, in dem das Arbeitsangebot unverändert bleibt, betrachtet. Damit folgt für die Arbeitsangebotsfunktion:

 

bzw.:

 

 

 

 

 

In der zweiten Formulierung dieser Funktion wird das Arbeitsangebot durch den tatsächlichen Reallohnsatz und die Relation zwischen tatsächlichem und erwarteten Güterpreis bestimmt. Dieser zweite Bestimmungsfaktor drückt den Erwartungsffehler der Konsumenten bezüglich der Güterpreise bzw. den Grad der Geldillusion bei den Haushalten aus. Unterstellt man, daß die Haushalte nicht nur den Nominallohnsatz, sondern auch den Güterpreis kennen bzw. richtig erwarten, so wird dieser Quotient gleich eins. In allen anderen Fällen unter- oder überschätzen sie ihren tatsächlichen Reallohnsatz. Dieser Zusammenhang wird in der folgenden Abbildung dargestellt:

 

 


                                                        N

 

 

                                                                                 N

 

 

 

                                                                                                                         NA

 

     Die Arbeitsangebotsfunktion.

 

Bei einem Erwartungsfehler von Null (p = pe) ergibt sich beispielsweise die Kurve NA0; sie verschiebt sich bei gegebenem Nominallohnsatz mit steigender Unterschätzung des Güterpreises nach rechts. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß aufgrund der Beschränkung des Zeitbudgets eine bestimmte Obergrenze nicht überschritten werden kann.

 

 

Schließt man wieder von dem einzelnen (repräsentativen) Wirtschaftssubjekt auf

die Gesamtheit aller Wirtschaftssubjekte und vernachlässigt damit die Aggregationsprobleme, so gilt der in  der obigen Abbildung dargestellte Verlauf auch für das gesamte Arbeitsangebot einer Volkswirtschaft.

 

 

 

Alternativ zu der dargestellten Reallohnabhängigkeit des Arbeitsangebotes wird verschiedentlich in kurzfristigen Modellanalysen von vereinfachenden Annahmen ausgegangen:

 

1.      Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsangebot ist konstant und unabhängig von der

     Höhe des Reallohnsatzes. Begründet wird diese Hypothese damit, daß nur

     wenige Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, die Anzahl ihrer Arbeitsstunden

     frei zu bestimmen, aber grundsätzlich alle arbeiten müssen, um ihren

     Lebensunterhalt zu verdienen. Ebenso ist die Entscheidung, ob zusätzliche

     Familienmitglieder eine Arbeit aufnehmen sollen oder nicht, in vielen Fällen

     nicht von der Höhe des Reallohnsatzes abhängig.

 

     Gegen diese Hypothese spricht, daß es eine Variationsmöglichkeit des Arbeits-

     kräfteeinsatzes in Abhängigkeit von der Höhe des Reallohnsatzes z. B. in Form

     von zu leistenden Überstunden gibt. Die in allen Tarifverträgen für Überstunden

     vorgesehenen höheren Lohnsätze können ein Indiz für den in der ersten 

     Hypothese angenommenen positiven Zusammenhang zwischen Reallohnsatz

     und Arbeitsangebot sein:

     Die Arbeitskräfte sind demnach offensichtlich nur bereit, mehr als die tariflichen

     Wochenstunden zu leisten, wenn ihnen dafür ein höherer Reallohnsatz gezahlt wird.

 

     Ob diese Tatsache allerdings als Abhängigkeit des Arbeitsangebotes vom Reallohnsatz    

     interpretiert werden kann, hängt davon ab, ob die Entscheidung zur Leistung von Überstunden   

     vom  Arbeitsanbieter freigetroffen werden kann.        

 

2.      Das Arbeitskräfteangebot ist kurzfristig vollkommen elastisch in Bezug auf den Nотinallohnsatz. Hinter dieser Hypothese steht die Überlegung, daß Lohnverhandlungen im allgemeinen in längeren Zeitabständen zwischen  Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften erfolgen.

 

 

 

 

Vernachlässigt man die Überstundenzuschläge, dann sind innerhalb dieser Periode die Arbeiter bereit, im Bereich der tariflichen Arbeitszeit zum ausgehandelten Nominallohnsatz jede beliebige Menge an Arbeit anzubieten. Erst bei den nächsten Lohnverhandlungen werden die Gewerkschaften in ihren Forderungen die herrschende Arbeitsmarktsituation berücksichtigen.

 

 

3.3. Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt               

 

Aus dem Gewinnmaximierungskalkül der Unternehmungen und dem Nutzenmaximierungskalkül der Haushalte folgt eine negative Abhängigkeit der Arbeitsnachfrage und eine positive Abhängigkeit des Arbeitsangebotes vom Reallohnsatz:

 

 

                         w         NN                                                                                                           NA

 

 

 

 

                         w1                                               N1

 

 

                     

                    

                                                                 

                    

                    

                                                                               

                        w0                         

                          w2                               N2                                                 

                                                    

                                                                                                    NA, NN

           Der Arbeitsmarkt

 

Bei dem Reallohnsatz  w0  sind Angebot und Nachfrage nach Arbeit einander gleich, es gibt keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Es gibt keine Variation des Reallohnsatzes, durch die eine höhere Beschäftigung erreicht werden kann. Entsprechend wird eine derartige Situation als Vollbeschäftigung definiert.

Im Prinzip kann bei dem Reallohnsatz  w0  auch Arbeitslosigkeit existieren, die allerdings nicht aus einem Gesamtdefizit an Arbeitsnachfrage gegenüber dem Arbeitsangebot resultiert. Es handelt sich dann entweder um

- friktionelle Arbeitslosigkeit oder

- strukturelle Arbeitslosigkeit.       

 

Die friktionelle Arbeitslosigkeit ergibt sich aus dem in einer Volkswirtschaft ständig erfolgenden Arbeitsplatzwechsel einzelner Arbeitnehmer, die in der Periode zwischen Beendigung ihres alten Arbeitsverhältnisses und Beginn ihres neuen Arbeitsverhältnisses eine gewisse Zeit arbeitslos sind.

 

Die strukturelle Arbeitslosigkeit entsteht aus regionalen, qualitativen und zeitlichen Unterschieden zwischen der Struktur der Gesamtnachfrage nach Arbeit und der Struktur des Gesamtangebotes. In beiden Fällen kann jedoch davon ausgegangen werden, daß der Zahl der Arbeitslosen eine in etwa gleich große Anzahl offener Stellen entspricht.

 

Bei dem Reallohnsatz  w1  besteht dagegen ein Überschußangebot an Arbeit (bzw. Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung) in Höhe von  N1. Man bezeichnet diese Arbeitslosigkeit auch als klassische Arbeitslosigkeit. Eine solche Situation kann entstehen, wenn sich der Nominallohnsatz, aufgrund welcher Einflußfaktoren auch immer, trotz des bestehenden Überangebotes nicht reduziert und bei diesem herrschenden, exogen gegebenen Nominallohnsatz die gesamtwirtschaftliche Nachfrage so gering ist, daß sich auf dem Gütermarkt kein Preis einstellt, der zu dem Reallohnsatz  w0  führt.

 

Bei dem Reallohnsatz w2 besteht eine Überschußnachfrage nach Arbeit in Höhe von N2. Eine solche Situation kann sich beispielsweise äußern in einer großen Zahl nicht besetzter Arbeitsplätze bzw. offener Stellen. Unterstellt man einen flexiblen Nominallohnsatz, so wird sich in beiden Ungleichgewichtssituationen der Nominallohnsatz bis zum gleichgewichtigen Lohnsatz ändern.

 

 

 

 

Im einfachsten Fall kann unterstellt werden, daß die Veränderung des Nominallohnsatzes eine Funktion der Überschußnachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist:

 

                              

 

mit:          

 

dW       absolute Veränderung des Nominallohnsatzes in der Zeit.

 

Herrscht auf dem Arbeitsmarkt Überschußnachfrage seitens der Unternehmungen,

so unterstellt diese Anpassungshypothese, daß die Unternehmen in Konkurrenz

um den knappen Faktor Arbeit den Nominallohnsatz nach oben konkurrieren. In

einer Situation des Überschußangebotes dagegen konkurrieren die Arbeitskräfte

um die knappen Arbeitsplätze, so daß der Nominallohnsatz sinkt. Dieser einfache

walrasianische Anpassungsprozeß wird zumeist in der folgenden Form geschrieben:

mit:

       prozentuale Veränderung des Nominallohnsatzes,

u          Arbeitslosenrate  

 

Man bezeichnet diese Funktion auch als  „naive Phillips-Kurve".